GRESSE / VOSSBERG

Knapp unter 70 km entfernt von Hamburg liegt die Freilicht Bühne der amtlich zu erwartenden rüden Rock´n Roll Rüpelei mitten in unberührter, wild waldig wiesiger Landschaft.

ENKELZ im zweistelligen Kilometer Kosmos. Die Nadel für den Füllgrad des Benzintank dürfte sich kaum merklich gen Süden neigen. Minimalistisches Miles-O-Meter als peripheres Perfektum für nachlesbar geschundene Gesäße.

Unter diesem Aspekt erliegen P. T. als "Parcour Tester" und der Verfasser dieser Zeilen dem Versuch, das Gelände schon mal einem Tag vor dem Konzert mit Argusaugen zu begutachten. Gesagt, getan, gefahren, gelandet.

Erster Eindruck: Mächtig Karl May konvertibel. Das gesamte Drumherum zwischen Landschaft, Gebäuden und dezent plazierten Extras a la Heuballen, Zäunen und noch näher zu benennenden Vierbeinern im Hintergrund lassen in dieser Kombination platzpatronigen Pulverdampf förmlich erahnen. Wer TV Programme frequentiert, fragt sich inspirativ oder manipuliert, ob Winnetou nicht schon lange O/Enkelz hörig ist, bzw. seine Schwester Nscho Tschih als vermeintlich unbefleckt zopfheilige Indianerschönheit im alles verdeckenden Wildledergewand seit ca. 40 Jahren auf den richtigen Tätowierer wartet...

Neben diesen für alle BO/EZ Fanz ultimativ existentiellen Fragen ohne Antwort sei noch vermerkt, daß für den Fall der Fälle ein Traktor vor Ort ist. Nagelneu und unter dem Hintern eines hochgradig engagierten Besitzers. Daß diese Fahrzeuge Helden sein können, haben wir in Dampfach eindrucksvoll und nachhaltig erlebt.

Denn irgendwie riecht die Luft heute schon für morgen unheilvoll nach himmlischen Theater. Trotzdem werden die ausgedörrten Bäume des dicht angrenzenden Waldes nachhaltig mit Wasser gesprengt, die Waldbrandgefahr ist laut Feuerwehr immens hoch. Ebenso die Verletzungsgefahr für Knochen, Bänder und Sehnen. Der Boden ist mit etlichen Dellen und vom Gras überwachsen fiesen Löchern übersät ist. Tastendes Gelatsche a la Tanz auf Eierbriketts ist angesagt. Und dazwischen tonnenweise getrockneter Lämmerkot . Die lieben blökenden Vierbeiner müssen kurzfristig die angestammte heimatliche Kackwiese verlassen um Platz für die zweibeinige Meute der BO/EZ Fanz zu machen.

Myriarden völlig durchgknallter Insekten jedweder Coleur - teils regelrecht gierig auf Menschenblut - schwirren taumelnd oder schießen wie auf Crack durch die stickige Dämmerung.

Bühne sowie Licht sind OK, ein erster Klangtest der Anlage von einer Techno CD läßt Gutes auf den morgigen Sound erahnen. Hoffentlich erleidet das hiesige Damwild keine Gehörstürze oder Fehlgeburten. Böhse Bambies? Lieber nicht.

Das DRK Wigwam, der morgige Backstage Bereich, steht bereits fest verzurrt auf Schafes Grund und Boden. Määääh und ab nach Hause.

Samstag Nachmittag, das Ensemble trudelt bei reger Betriebsamkeit und dunkelst dunklem Himmel ein. Der soundcheck ist dann erstmal die letzte Aktion bei Trockenheit. Es schüttet wie aus Kübeln. Jede/r sucht irgendwo Zuflucht bis das Band-Wigwam vor lauter Mensch quasi überquillt. Ein gedrängtes Stelldichein von Light- Sound-, einem Teil der Secucrew sowie dem Heer der mehr oder weniger "Wichtigen", bei Auftritten in der Nähe Hamburgs eine offensichtlich unvermeidbare Zugabe. Wie schnell sich doch Kühlschränke trotz durstiger Musikerkehlen leeren können.....

Die Vorband steht während ihres 45minütigen Auftritts gleich 3 mal stumm auf der im vorderen Bereich abgesoffenen Bühne. Stromausfall durch Kurzschluß bei Sintflut heißt die nasse Zauberformel. Kann jemand den Landregen an den Rand legen?

Irgendwie geht´s dank findiger Helfer trotzdem weiter. Herrn Knutzen obliegt es, in bester Bademeister Marnier die Bühne trocken zu feudeln, ein Föhn für die triefenden Monitorboxen fehlt indes.

Gut 1.100 Leutz sind mittlerweile trotz Mistwetter bei bester Laune zugegen. Die Bande legt sich mächtig ins Zeug, ein Lied der neuen, noch nicht veröffentlichten ENKELZ CD feiert heute Premiere: "Dummheit kennt keine Grenzen". Wie wahr. Und Tölpelhaftigkeit auch nicht. Denn - eigentlich unvorstellbar - auf dem gesamten Gelände befindet sich kein (Also NICHT ein einziger) Freßstand! Eine radikale Absage an die Metzgerinnung. Daß Pizza Buden bei dem aktuellen Weltmeister ignoriert werden ist zumindest verständlich.

Zum Glück wummert der Sound so hammerhaft hart, daß die knurrenden Mägen nicht zu hören sind. Eine weitere Kübelorgie aus fetten Wolken schwemmt dann unwiderruflich einen Teil der Elektrizitätsversorgung ins Koma. Der eklige Elektosaurus verschont zwar Bühne, Sound und Licht, aber weite Teile des Geländes scheinen fortan im Bohlen Geiste. Nämlich gar nicht. Mit dem Nebeneffekt völliger Dunkelheit am Merchandise Stand, dessen elektronische Kasse sich nicht mehr öffnen läßt.

Carina, Mike und Sandra schleichen sich wenig später - Taschenlampen zwischen den Zähnen und schwerstens schleppend - wie einst Ede Wolf auf Schweinchenjagd am Zaun entlang und suchen ein trockenes Plätzschen für ihre diversen Pakete. Ausnahmsweise mal ohne gewinnendes Lächeln. Eine vollkommen voluminös verpönte Variete Variation a la Vattenfall im freien Feld.

Eine sympathische, gebildete Dame fragt den Verfasser dieser Zeilen fast schon verzweifelt, wo sie denn nun für ihren Sohn Autogrammkarte und ENKELZ CD erstehen könne. Der sei sowieso schon schlecht drauf, weil am nächsten Morgen ganz früh eine Prüfung anstünde und somit das Konzert für ihn notgedrungen erledigt sei.

Sie wolle ihren Filius nicht entäuschen und außerdem - als absoluter Oberhammer - sei sie Gymnasiallehrerin aus Berlin, mit der erklärten Zielsetzung, die Onkelz ihrer gesamten Schülerschaft trotz diverser Widerstände näher zu bringen. Solche Texte, den gesamten Werdegang von BO usw. dürfe man jungen Menschen auf gar keinen Fall vorenthalten. WOW, Mutter Courage!! Klar wird alles nochmal ausgepackt. Einen signierten Drumstick gibt´s nach Konzertende obendrauf.

Nach 35 Liedern und weit über 3 Stunden inkl. Zugaben an einem Stück ist dann Schluß. Eine provisorische Beleuchtung erhellt sowohl matt das Zelt als auch die dampfenden Leiber. Die versprochene heiße Gulaschsuppe fehlt wegen mangelnder Stromkapazitäten ins Wasser. Schade, hat es doch über 2 Stunden gedauert, einen stabilen Dosenöffner aufzutreiben....

Ein paar selbstgefertigte Restfrikadellen aus dem Hamburger Fanbus - von HH-Onkel Kay vor dem Auftritt serviert und den "Wichtigen" versteckt - verhindern den Kollaps.

Die noch anstehende Abrechnung mit den beiden Veranstaltern gerät dann leider zu einer schrägen Provinzposse prolliger Provokation. Nach ca. 2 1/2 Stunden Warterei bei 6 Anrufen und eben so vielen "In 5 Minuten bin ich da" Vertröstungen schwillt selbst dem besonnensten Bandmitglied zwangsläufig der Kamm. Schade, die beiden haben einiges auf die Beine gestellt. Sogar einen erstklassigen Werbejingle für das Konzert bei Radio "Ostseewelle" durchgedrückt. Und dann sowas. Da sich ein ENKEL generell nicht verarschen läßt folgt dann ein Szenario in der nicht eben vom Sonnenschein beleckten Mentalität von Zacharias Zorngiebel. Doch, niemand wird verletzt.

Crew, Bandbetreuer und Merch sind da allerdings schon lange auf dem Weg nach Langgöns. Was bleibt also hängen nach viel Spaß und einigem Chaos?

Whole lotta Schafscheiße. Egal, Lamm drüber.

Knutzen