CLERVAUX – LUXEMBURG

Die einmonatige, urlaubsbedingte Auftrittslosologie ist endlich beendet. Allerhöchste Zeit, den angesammelten Dampf abzulassen, bevor der Kessel platzt.

Trotzdem, es sind gar schlimme Zeiten für Musik in der Außendarstellung einzelner Interpreten.

Tokio Hotel luschert titelseitengerecht mit Wodka Staffage auf den Tischen in den vermeintlich paradiesischen, aber wohl eher professionell perforierten Bakterienkanal für Saftaustäusche einer lausig lasziv „lächelnden“ Leasing „Lady“ mit Jugend schützender Verpflasterung auf den Silikon untermauerten Nippeln.

Lionel Richie beschwört inbrünstig die Liebe zu seiner Oberlippenbebürstung, weil ohne dieses Gestrüpp „nicht mal Gott“ ihn wieder erkennen würde.

Madonna beäugt, kauft und entführt per Flugzeug ein Kleinkind aus Afrika und Herbie Grönemeyer liest vor Kurzem ausgerechnet dann die Mannschaftsaufstellung seines VfL vor, wenn´s von den Bremern zu Hause 6 Stück auf die Mütze gibt.

Letztes ist tragikkomisch, der davor beschriebene Rest definitiv nicht. Wie gesagt, schlimme Zeiten, der Peinlichkeitsfaktor ist hoch angesiedelt.

Da passt es gut, dass die ENKELZ erstmalig in ihrer Karriere im Ausland auftreten um all dem Schwachmatismus kurzfristig zu entgehen.

Pünktlich um Rock´n Roll feindliche 8.30 Uhr beginnt die Abfahrt nach Luxemburg mit einer bluesigen Beste Laune Akustik Live Version von AC/DC´s „You Shook Me All Night Long“. Womit endlich auch die Lagerfeuertauglichkeit des australischen Quintetts eindeutig belegt ist.

Aus dem grauen, nebelig vernieselten Dunst taucht ein schier endloser Wurm bläulich blinkender, blendender Blitzlichter auf. Die Damen und Herren von den Freunden und Helfern sind massiv auf der Piste unterwegs. Ca. 120 Polizeifahrzeuge sämtlicher Gattungen werden über etliche Kilometer überholt.

Ist ja schön, so eine Polizeieskorte für die ENKELZ, aber derartig viel Aufwand halten selbst wir in der uns bisweilen angedichteten Arroganz für leicht übertrieben. Vor allem die Wasserwerfer, als wenn es bei uns Ausschreitungen gäbe…

Kurz vor der Grenze schmeißen wir noch, vor Panik schlotternd und Angstschweiß perforiert 14,3 Kilogramm Drogen sinnloser Weise aus dem Fenster, denn eine Kontrolle erfolgt nicht. Unsägliches Leiden aller Schmuggler…

Die moderne Polyvalent Halle ist sehr genehm in Größe und Architektur, wirkt aber leider auf dem Fußboden teilweise penetrant pattexös.

Dr. Eckig lässt grüßen, die Spuren der vorherigen Nacht mit „Airline Partyrock“ sind größtenteils noch nicht beseitigt und somit heißt es erst einmal Fegen und einen Teil der Bühne feudeln, ebenso den Zugang zum Merchandising Stand. Letztlich steht Clervaux nicht für Clebrig.

Im Gemäuer brettert fröhlich feixend eine herzallerliebste, gerade 4 Jahre alt gewordene strohblonde Frohnatur im AC/DC Hemdchen auf einem Dreirad durch das Gemäuer. Sofort verstecken oder gut bewachen, die Lütte passt mit Sicherheit hervorragend ins Beuteschema von Madonna.

Der Herr Veranstalter übt sich z. Zt. weitaus weniger fröhlich aber textlich authentisch in der Tonart eines Feldwebels. Es herrscht wohl doch ein rauer Unterton auf dem Weg zum Rockdiplom.

Absolut gar nicht webelig das sonstige Hallenpersonal beiderlei Geschlechts. Freundlich mitteilsam und teilweise schwer tätowiert versprüht das angenehme Völkchen von www.tattoo-frenn.lu – bisweilen in einem uns nicht eben leicht verständlichen Kauderwelsch – permanent gute Laune und freut sich auf die kommende Nacht.

Wir uns auch. Catering bestens, die uns nach etlichen gemeinsamen Konzerten vertraute Security rundet das Bild harmonisch ab.

Positiv wiederum, dass offensichtlich einige Clans namens Familie im Publikum zusammen abfeiern. Generationsübergreifend tummeln sich „Jung“ und „Alt“ gemeinsam in der mittlerweile gut gefüllten Halle. Wer da wen infiziert und mitgebracht haben könnte ist spekulativ und ohne Bedeutung.

Was zählt, ist die Tatsache, dass der vermeintliche Schrecken des Namens BO aus der Phase ganz früher „politischer“ Tage gänzlich der Vergangenheit angehört. Auch wenn es den wenigen verblieben, bösartigen Schmierfinken aus der Sparte „Pseudo-Journalist“ nicht recht sein dürfte….

Das Konzert verläuft „eigentlich“ wie immer und soll hier nicht zum x-ten male beschrieben werden. Zwei Zugabenblöcke sprechen eine eindeutige Sprache.

Auffällig ist allerdings die Tendenz der Bande, sich zwischen den Liedern (oder an deren Finale) musikalischen Spielraum für die eine oder andere Improvisation zu gewähren. Ronnzo und Domi sind ja immer für ein überraschendes Saitengewitter gut.

Der Schlachtzeuger als Zeuge dieser „Schlachten“ zieht mittlerweile mit spürbarer Lust gleich. Wenn sich da mal nicht demnächst ein solistisches Unwetter anbahnt….

Auf den Klang in der Halle muss leider wieder verstärkt Obacht gegeben werden. Krischi mixt denselben zwar zum wiederholten male für uns, kann sich aber nicht daran gewöhnen, dass einzig und allein die ENKELZ die Vorgaben geben.

Eine verträumte Rückkopplung hier und eine dezente Unterschlagung in Sachen „Attack“ der Doppelbass da liegen definitiv nicht weiter im Ermessungsspielraum eines Auszuführenden, der lt. eigener Aussage „gern mal für ein Experiment gut ist“….

Ansonsten ist alles wirklich gut, die Abreise von der Halle inkl. Anreise zur Pension im fernen Deutschland ausdrücklich ausgenommen. Wir nächtigen in Ferschweiler, ca. 70Km entfernt.

Eine rabenschwarze Nacht mit Bodenfrost bei Raureif mit so gut wie gar keinem Sprit in einem der 3 Autos enthält einen fragwürdigen Charme, dem keine/r auch nur annähernd zugetan ist. Vier angefahrene Tankstellen sind so offen wie Kurpfuscher, pardon, Arzt Bela B. für BO, nämlich gar nicht.

Da Geschwindigkeiten über 15Km durch Hardcore Serpentinien kaum möglich sind, schleichen wir noch fast 1 ½ Stunden durch die Wildnis. Exakt die Situation, die jede/r jetzt dringend braucht. Letztlich ist unsereiner ja erst vor ca. 22 Stunden mit dem Allerwertesten aus den Federn gekrochen.

Die Pension ist leider nicht die gleiche wie nach dem Auftritt beim ORR. Soll heißen, das gütliche Verständnis einer einfühlsamen Wirtin für Nachtarbeiter kann nicht vorausgesetzt werden, fällt eventuell völlig flach.

So kommt es dann auch. Bereits um 9 Uhr morgens, nach nicht einmal 3 Stunden Schlaf, herrscht allgemeiner akustischer Randale Rundum Terror auf den Fluren und die Wirtsleute beharren bärbeißig auf ihrem symbolischen, aber unmissverständlich zur Schau getragenen Credo a la „Anständige Menschen schlafen in der Nacht“.

Frühstück mit verquollenen Augen kann passieren, aber die Umgebung wird berechtigt als überaus feindlich empfunden.

Kreischende Kleinkinder, keifende Kalorienkälber, penetrant pöbelnde Papis, martialisch motzende Muttis, knallende Türen, enervierendes Gezeter, die Palette der akustischen, optischen und auch ästhetischen Belästigungen ist schier unerschöpflich.

Ein Mitglied einer Art Selbsterfahrungsgruppe führt zur Krönung noch stumm einen Veitstanz auf, während uns die Herbergsfrau mit der Lieblichkeit einer sibirischen Lageraufseherin argwöhnisch linkisch beglotzt.

Nur sofort raus hier, denn der eine oder andere unserer Hälse schwillt auf bedenkliches Volumen an. Noch ein gemurmeltes Dankeschön an den Veranstalter ob der überaus sensiblen Auswahl dieses allzu spießbürgerlichen Horrorschuppens. Nur ganz schnell irgendwas einpacken, um den knurrenden Magen für´s erste zu stopfen.

Die kulinarische Bewaffnung für die erste Etappe der kommenden Heimreise ist ein Gaumenlüpfer grandioser Güteklasse.

Der einzig echte, historisch belegbare Ferschweil-Burger aus dem Handbuch „Selbst kreierte Eifelspezialitäten für Fremde“ besteht aus Brötchen mit Schmierkäse Eckchen von Kraft, zwei Scheiben labberigen Leberkäse mittendrin und obendrauf – als pulverisiert zu streuender Gourmet Geschmacksexzess – eine Prise „Hügli Finesse“.

Derartig verwöhnt sind die vor uns liegenden 670Km ein glatter Witz, um nicht zu sagen ferschiger Furz.

Knutzen